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von Gerhard Borsch

Titelbild dunkle Triade

Was treibt Menschen an, zu lügen, zu betrügen und andere zu quälen? Warum betrachten sich so manche als Sonne, um die andere kreisen müssen? Wie kann es sein, dass sich jemand gut damit fühlt, andere auszunutzen und auf ihren Gefühlen herumzutrampeln? Wenn Sie sich diese Fragen auch gelegentlich stellen, sind Sie in diesem Beitrag gut aufgehoben.

Wir werfen einen Blick auf die helle und dunkle Seite der menschlichen Persönlichkeit und klären die folgenden Fragen: Was ist die dunkle Triade? Und was ist der Kern des menschlich Bösen? Dazu erfahren Sie, wie sie Ihre eigenen dunklen Tendenzen bestimmen können.

Die helle Seite der Persönlichkeit

Kreativität, Intelligenz, Fleiß, Geduld – die hellen Seiten erzeugen bei uns ein warmes Gefühl. Sie sind zugleich Fokus der modernen Psychologie, wenn es darum geht, die zentralen Facetten menschlicher Persönlichkeit zu bestimmen. Als Standardmodell gelten bereits seit Jahrzehnten die sogenannten Big Five: Die Großen Fünf, in deren Ausprägung sich Menschen unterscheiden. Das sind: Offenheit für Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und emotionale Stabilität. Letztere beschreibt das andere Ende des verschrienen Neurotizismus.

Warum können wir die Big Five der hellen Seite der Persönlichkeit zu ordnen? Es ist einfach: Die damit verbundenen Verhaltenstendenzen sind in so ziemlich jedem Lebensbereich vorteilhaft - sei es in der Partnerschaft, in Freundschaften oder im Beruf. Im Umfeld der Arbeit erweist sich insbesondere die Gewissenhaftigkeit konsistent und kontextübergreifend als starker Erfolgsfaktor. Gepaart mit einer soliden Intelligenz und einer robusten Gefühlslandschaft ergibt sich erwiesenermaßen eine gute Grundlage für Erfolg in unserer Leistungsgesellschaft.

Was ist die dunkle Triade der Persönlichkeit?

Doch wie sieht es auf der anderen Seite, der dunklen Seite, aus? Reicht es, geringe Ausprägungen auf positiv besetzten Merkmalen zu betrachten, um problematische Persönlichkeiten zu beschreiben? Hand und Fuß hätte es: Würden Sie jemanden als Partner wählen, der ungern Neues ausprobiert, ständig auf Ärger aus oder verschlossen ist? Wohl kaum. Ebenso würde wahrscheinlich auch Ihre Großmutter niemanden einstellen, der nicht gründlich arbeitet, ängstlich ist und schnell nervös wird.

Die Auswüchse menschlichen Verhaltens sind mit Konzepten wie den Big Five allerdings schwerlich zu erklären. Denken Sie an gierige Intendantinnen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, den Diesel- oder Wirecard-Skandal oder den ausgeschiedenen US-Präsidenten, der den lieben langen Tag die Fernsehberichterstattung über sich selbst verfolgte. Nein, hier muss Licht ins echte Dunkel geworfen werden. Licht ins Dunkel der menschlichen Persönlichkeit.

Grafik antisozialer Kern

Ein Versuch, die wesentlichen Merkmale im Abgrund der Persönlichkeit zu ordnen, stammt vom Anfang dieses Jahrtausends und wird als Dunkle Triade betrachtet. Unterschieden wird eine Trias, also drei verschiedene Facetten:

  • Narzissmus: Narzissten haben ein übersteigertes Selbstbild bei gleichzeitig zerbrechlichem Selbstwertgefühl. Sie sind charmant, können sich gut inszenieren, und streben ständig nach Bewunderung, Anerkennung und Leistung – auch, und gerade, weil sie sich selbst permanent von der eigenen Grandiosität überzeugen müssen. Bleibt der Erfolg aus, bricht das emotionale Kartenhaus zusammen. Es resultieren Aggressivität und das Herabwürdigen anderer.
  • Machiavellismus: Der Begriff geht auf den politischen Denker Niccolo Machiavelli zurück, nach dem es tunlich ist, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um die eigene Macht zu erhalten und bestenfalls auszubauen. Ethische Vorstellungen und Moral könnten dabei getrost außen vorgelassen werden. Für Machiavellisten besitzt die persönliche Nutzenmaximierung oberste Priorität – sie manipulieren, spinnen Intrigen, und legen rücksichtsloses Verhalten an den Tag.
  • Psychopathie: Charakteristisch für Menschen mit psychopathischen Zügen ist ihr ausgeprägter Egozentrismus und ihr geringes Mitgefühl für andere Menschen. Dabei besitzen sie gleichzeitig die Fähigkeit, sich gut in einen sozialen Kontext einzufügen und ein erfolgreiches Leben zu gestalten. Da Sie starke Gefühle der Angst, Scham oder Schuld nicht kennen, sind sie furchtlos und extrem stressresistent. Weitere Merkmale von Psychopathen sind beispielsweises Skrupellosigkeit, krankhaftes Lügen oder kriminelles Verhalten.

Normalbereich oder Persönlichkeitsstörung?

Die Beschreibungen dieser drei Facetten sind bewusst auf die Spitze getrieben, damit Ihnen die jeweiligen Charakteristika gut im Gedächtnis bleiben. Das Modell der dunklen Triade geht allerdings davon aus, dass jeder Mensch über diese Eigenschaften verfügt – die einen mehr, die anderen weniger:

  • Jeder von uns bewegt sich gelegentlich am Rande der Wahrheit,
  • jeder von uns denkt mal hauptsächlich an sich selbst und
  • jeder von uns nutzt gelegentlich einen Winkelzug, um sich einen Vorteil gegenüber anderen zu verschaffen.

Problematisch wird es, wenn sich antisoziale Verhaltenstendenzen häufen und zu Verhaltensmustern werden, wenn andere oder man selbst erheblichen Schaden nimmt. Kommen die positiven Merkmale eines Menschen kaum noch zum Tragen, während die negativen Allzeit präsent sind spricht man von einer Störung der Persönlichkeit, bei der ein therapeutisches Angebot ratsam ist.

Der dunkle Kern – Der dunkle Faktor der Persönlichkeit

Doch zurück zum Normalbereich der dunklen Seite der Persönlichkeit. Die Zusammenstellung der drei genannten Merkmale zur dunklen Triade gründet auf der Erkenntnis, dass diese Facetten oft gemeinsam im Menschen auftreten und konzeptionell überlappen: Wer stark narzisstisch ist, trägt sehr wahrscheinlich auch machiavellistische Züge. Allen gemein ist eine antisoziale Grundhaltung.

Der Gedanke einer Überlappung der verschiedenen Facetten ist in weitergehender Forschung auf fruchtbaren Boden gefallen. In einer Reihe von Studien konnte eine Forschergruppe um den Ulmer Psychologie-Professor Morten Moshagen zeigen, dass mit den genannten drei noch sechs weitere problematische Merkmale verknüpft sind. Hierzu zählen: Egoismus, Gehässigkeit, moralische Enthemmtheit, Anspruchsdenken, Selbstbezogenheit und Sadismus. In Gesamtheit bilden diese Eigenschaften einen gemeinsamen dunklen Faktor: Den D-Faktor. Dieser wird so definiert:


„Die allgemeine Tendenz, den eigenen Nutzen zu maximieren – unter Missachtung, Inkaufnahme oder böswilliger Provokation von Nachteilen für andere – begleitet von Überzeugungen, die als Rechtfertigung dienen.“

Böse schauender Mann

Wie bringt uns der D-Faktor voran?

Die Forscher gehen davon aus, dass der D-Faktor der Ursprung allen Übels ist und die einzelnen Teilfacetten als seine Manifestationen auf der Verhaltensebene sichtbar werden. Aus wissenschaftlicher Perspektive ergibt sich aus dieser konzeptionellen Weiterentwicklung der Vorteil einer Ökonomisierung in der Erfassung dunkler Persönlichkeitseigenschaften – ganz im Sinne von Ockhams Rasiermesser: Warum zweie Hände voll Merkmale untersuchen, wenn das Thema mit einem Kern erschlagen werden kann?

Die berechtigte Hoffnung ist zudem, dass es uns mithilfe dieses verbesserten Verständnisses über die Zusammenhänge dunkler Eigenschaften gelingt, die Welt zum Besseren zu verändern: Etwa durch pointierte Diagnostik und geeignete Interventionen, um fragwürdige Verhaltensweisen zu reduzieren.

Die Forschung hierzu steckt aber, wenn überhaupt begonnen, noch in den Kinderschuhen: Sollten Sie auf Ratgeber mit den 20 besten Tipps im Umgang mit Ihrem dunklen Kern stoßen, auf teure Managementseminare zum Thema aufmerksam werden oder gar eine Unternehmensberatung ein Assessment Center-Konzept anbieten, das den dunklen Kern von Bewerberinnen und Bewerbern zu 99% entdeckt, können Sie sich das Geld dafür getrost sparen.

Wie dunkel ist meine eigene Persönlichkeit?
Testen Sie Ihren D-Faktor:

Sie wollen überprüfen, wie stark der dunkle Kern bei Ihnen selbst ausgeprägt ist und wie Sie im Vergleich zu anderen Menschen dastehen? Zum Online-Fragebogen der Forschungsgruppe rund um den D-Faktor gelangen Sie hier:

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Das Ergebnis erhalten Sie sofort in Form einer individuellen Auswertung – wissenschaftlich fundiert und ohne Kommerz oder Vermarktungskalkül.

Webinare der afw Wirtschaftsakademie zum Thema:

Titelbild Webinar dunkle Triade

Abgründe der menschlichen Persönlichkeit: Die dunkle Triade als Karriere-Booster in der Führungslaufbahn?

Wie zum Teufel kann es sein, dass einige die Karriereleiter hochklettern, obwohl sie menschlich abstoßendes Verhalten an den Tag legen?

Zum Webinar

Titelbild Webinar Power of the Situation

Power of the Situation: Der Einfluss der Situation auf unser Verhalten

Das Verhalten des Menschen ist nicht allein von seiner Persönlichkeit und seinen Anlagen vorherbestimmt: Es hängt auch davon ab, welche Umfelder wir ihm bieten und wie knifflig die Situation ist, in der er sich befindet.

Zum Webinar

Quellen- und Literaturhinweise:

www.darkfactor.org

Externbrink, K., & Keil, M. (2018):
Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie in Organisationen. Wiesbaden: Springer.

Moshagen, M., Hilbig, B. E., & Zettler, I. (2018):
T he dark core of personality. Psychological Review, 125, 656-688. (DOI)

Moshagen, M., Zettler, I., & Hilbig, B. E. (2020):
Measuring the dark core of personality. Psychological Assessment, 32, 182-196. (DOI)

Paulhus, D.L., & Williams, K.M. (2002):
The Dark Triad of Personality: Narcissism, Machiavellianism, and psychopathy. Journal of Research in Personality, 36, 2002, 556–563. (DOI)

Zettler, I., Moshagen, M., & Hilbig, B. E. (2021):
The dark factor of personality shapes dark traits. Social Psychological and Personality Science, 12, 974-983. (DOI)

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